VORWORT

Als das Saallicht anging, erwachte die Lust auf doppelte Schnäpse, um des Alptraums Herr zu werden. Und dennoch, ich möchte diesen Abend keinesfalls missen, er war wie ein Purgatorium, ein reinigendes Fegefeuer. So oder so: man darf sich dies Erschrecken, diese Erheiterung, diese Erfahrung nicht entgehen lassen. Sie bleiben lange, beunruhigend lange haften.(1)

Von einer ganz ähnlichen Überraschung und Faszination, wie sie M. Skasa hier beschreibt, war auch mein erster Eindruck der besonderen Theatralik F.J. Bogners geprägt. Das besondere darstellerische Verhalten kurz zu skizzieren fällt nicht leicht, weil es verschiedene Ebenen und Aspekte des "theatralen Ereignisses" auf eine einzigartige Weise tangiert. So exemplifiziert Bogner in beständiger öffentlicher Selbstreflexion sowohl theatrale Wirkungsmechanismen als auch Rezeptions- und Wahrnehmungsgewohnheiten und hebt das "Kommunikationsverhältnis Theater" selbst ins Blickfeld. Dabei ist die Figur des Clowns Medium der Reflexion und Gegenstand zugleich, so daß sich aus seinen durchaus auch in einem herkömmlichen Clownprogramm vorstellbaren Szenen eine zwischen belustigend-komischen und betreffend-quälenden Affekten wechselnde Mischung ergibt. Mehr als bei anderen wird der Clown als Teil von Bogners Person offenbar, werden dessen Auseinandersetzungen mit der Tücke des Objekts als Verarbeitungen persönlicher Erfahrungen von Frustration und Deformation benannt. Der permanente Selbstbezug des Bognerclowns konfrontiert den Zuschauer mit dem, was man die "alltäglichen Hintergründe clownesker Situationen" nennen könnte. Bogners Verhalten auf der Bühne pendelt zwischen psychologischer Figuren- und Selbstanalyse und kritisch-satirischer Unterhaltung und bewegt sich damit ständig am Rande der Publikumsakzeptanz, wodurch bisweilen ein spürbares Interpretationsvakuum entsteht, welches nicht sogleich durch inhaltliche Alternativen gefüllt, zu Situationen ungewöhnlicher Kommunikation im Theater führt. Mögliche Lösungsstrategien für die von ihm in Frage gestellten zwischenmenschlichen Verhaltensweisen bietet Bogner nur in allgemeinen Ansätzen, deren Praktikabilität sich erst in der individuellen Reflexion und, wenn nötig, Veränderung des eigenen Verhaltens erweisen kann.

Eine wesentliche, wenn nicht die hauptsächliche Ursache für die besondere Wirkung der Bognerschen Theatralik auf mich ist der Mut und die Konsequenz, mit denen Bogner bestehende oder provozierte Erwartungen problematisiert, indem er ihre Erfüllung ganz oder teilweise verweigert.

Mit seiner Forderung nach zwischenmenschlicher Anerkennung ohne vorherige Leistung berührt er ein Grundproblem gesellschaftlichen Verkehrs, welches auch in meinen eigenen Sozialisationserfahrungen eine bestimmende Rolle gespielt hat. Mit der Aktualisierung und In-Frage-Stellung eines allgemein zu beobachtenden, in der frühen Kindheit geprägten Verhaltensmusters, wonach Anerkennung und Zuneigung durch die Erfüllung realer oder vermeintlicher Erwartungen "erkauft" werden müssen, wurden auch erfahrungsgemäß gewachsene Grundsätze und Verhaltensformen meiner eigenen Lebensführung problematisiert.

(1) M. Skasa, Der überspannte Bogner (Kritik aus der Süddeutschen Zeitung), in: Magazin der 28. Berliner Festwochen 78, Berlin 1978, S. 201.